Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Bundesligaklubs dürfen die Mehrkosten für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen in Rechnung gestellt werden. Auf den ersten Blick mag das wie ein Schritt in Richtung Gerechtigkeit wirken – schließlich entstehen diese Kosten ja durch Fußballveranstaltungen. Doch für die Vereine, vor allem die kleineren und solche, die bereits schwere Zeiten hinter sich haben, ist dieses Urteil ein Grund zur Sorge. Als politisch engagierter Mensch und seit 1998 aktiver Unterstützer von Alemannia Aachen – aktuell zudem als Mitglied des Verwaltungsrats – spüre ich diese Sorgen hautnah.
Eine Entscheidung mit Schattenseiten
Nach zwei Insolvenzen steht mein Verein, Alemannia Aachen, endlich wieder auf gesunden Füßen. Es war ein steiniger Weg, gezeichnet von Sparmaßnahmen, intensivem Engagement vieler Ehrenamtlicher und der Leidenschaft einer treuen Fanbasis. Doch dieses Urteil könnte solche Vereine wie uns erneut ins Wanken bringen. Während große Bundesligaklubs sechsstellige Summen vielleicht noch abfedern können, würde es für kleinere Vereine in Liga zwei, drei oder vier schnell existenzgefährdend.
Gerade erst wieder gesundet, droht Alemannia Aachen und anderen Clubs eine Last, die sie kaum tragen können – für etwas, das sie weder kontrollieren noch beeinflussen können.
Ungerechtigkeiten durch föderale Unterschiede
Das Urteil trifft die Vereine nicht nur hart, sondern auch ungleich. Während für Werder Bremen sechsstellige Summen fällig werden könnten, bleibt ein Verein wie Union Berlin davon verschont – nicht, weil dort weniger brisante Spiele stattfinden, sondern weil die Gesetzgebung von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ist. Diese Ungleichbehandlung sorgt nicht nur für Unmut, sondern für eine deutliche Verzerrung des Wettbewerbs. Der Föderalismus, der oft für regionale Flexibilität gelobt wird, wird hier zum Stolperstein.
Vereine in der Verantwortung für Fremdes
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Verantwortungslosigkeit, die den Vereinen zugeschoben wird. Die Polizei entscheidet über die Einsätze außerhalb der Stadien – und das aus gutem Grund, denn die öffentliche Sicherheit ist Aufgabe des Staates. Doch was passiert, wenn die Einschätzungen der Polizei und der Vereine auseinandergehen? Wenn Maßnahmen getroffen werden, die aus Sicht der Vereine überzogen erscheinen oder wenn Gästefans durch Fehlverhalten auffallen?
Die Kosten werden den Vereinen auferlegt, auch wenn sie weder die Einsatzmaßnahmen beeinflussen noch die Handlungen der Gästefans kontrollieren können. Diese Praxis erscheint nicht nur unfair, sondern ist schlichtweg nicht praktikabel für Clubs, die ohnehin jeden Cent umdrehen müssen.
Die Spaltung vertieft sich
Als langjähriger Fan und ehemaliger Vorstand einer Fanorganisation, sowie einstiger Vertreter der Alemanniafans im Unsere Kurve e.V., kenne ich die Spannungen zwischen Fans und Polizei nur zu gut. Ich habe sie mehrfach selber miterlebt.
Pauschale Vorurteile gegenüber Fußballfans sind an der Tagesordnung, während unverhältnismäßige Polizeieinsätze – teils mit Gewalt und ohne transparente Kennzeichnung – die Fronten verhärten. Diese Konflikte werden durch das Urteil nicht entschärft, sondern verschärft. Statt Lösungen zu finden, die deeskalierend wirken, werden Vereine und Fans zunehmend als Problem dargestellt.
Dabei sollte klar sein: Der Fußball lebt von seiner emotionalen Bindung. Er ist für viele Menschen ein Ort der Gemeinschaft und ein bedeutender Teil ihres Lebens. Ihn durch Spaltung und Kostenbelastungen zu gefährden, ist der falsche Weg.
Ein Aufruf zu konstruktiven Lösungen
Dieses Urteil mag juristisch sauber sein, doch es löst keine Probleme – es schafft neue. Es spaltet Vereine, belastet kleinere Clubs unverhältnismäßig und verschärft die Konflikte zwischen Fans und Polizei. Besonders für Vereine wie Alemannia Aachen, die sich gerade erst wieder stabilisieren, ist es eine Bedrohung, die eine positive Entwicklung ernsthaft gefährden könnte.
Was es jetzt braucht, ist eine klare, bundesweit einheitliche Regelung, die Gerechtigkeit und Solidarität fördert. Es muss sichergestellt werden, dass Sicherheitskosten nicht zur existenziellen Bedrohung für kleinere Vereine werden. Gleichzeitig sollten Polizei, Politik und Fans gemeinsam an Lösungen arbeiten, die deeskalieren und den Fußball als das bewahren, was er ist: ein verbindendes Element unserer Gesellschaft.
Ich bin bereit, meinen Teil dazu beizutragen – sowohl als politisch engagierter Mensch als auch als Verwaltungsratsmitglied bei Alemannia Aachen. Denn eines ist sicher: dieses Urteil wird keine Konflikte und Probleme lösen.
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