Wie immer habe ich mich gefreut mal wieder in Griechenland zu sein. Seit meinem ersten Besuch 1987 bin ich nahezu jedes Jahr in diesem wunderschönen Land. In einer der ersten Gastarbeiterwellen aus Griecheland war Dimitri dabei. Er freundete sich mit meinem Großvater an. Wir sind in dritter Generation familiär befreundet und häufig zu Besuch. Wer mich ein wenig besser kennt weiß, dass ich Griechenland als meine zweite Heimat bezeichne. Land und Leute habe ich ins Herz geschlossen. Ja, daher kann sehr berechtigt festhalten, dass ich eine klare emotionale Haltung zu Griechenland habe und es einer der Gründe ist warum ich mich europäisch engagiere. Die Krise Griechenlands hat klar aufgezeigt dass nationale und europäische Politik noch viel Reformbedarf haben. Und nicht nur die nationale Politik in Griechenland ist damit angesprochen.
Auch in diesem Jahr habe ich in Griechenland wieder pure Gastfreundschaft erlebt. Da gab es zum Frappé noch einen Spinatkuchen als Geschenk für den Smalltalk auf Englisch-Griechisch. Die Griechen haben zum Glück ihre Lebensfreude behalten. Die seit gut zehn Jahren andauernde Krise ist allerdings im Land ebenso noch sichtbar, wie viele neue Bauvorhaben – insbesondere der chinesischen Investoren. Vor eben diesen haben die Griechen Angst. In der bekannten „Plaka“ unterhalb der Athener Akropolis stehen Häuser ebenso leer oder sind Ruinen, wie auch in den Stadtteilen der fünf Millionen Metropole. Vor allem chinesische Investoren sind – mitunter sehr erkennbar – in Athen unterwegs.
Der Hafen von Piräus gehört mittlerweile chinesischen Investoren und ermöglicht neben der im Ausbau befindlichen Seidenstraße nun auch den besseren Zugang zu Europa per Seeweg. Doch auch über „die EU“ wird in Griechenland gerne geschimpft. Die Austeritätspolitik hat Spuren hinterlassen. Geschlossene Geschäfte, verfallene Gebäude, viele Arbeitslose – über 25% davon unter 25 Jahre – sowie Obdachlose prägen das Bild. Hinzu kommen die viele Flüchtlinge die in Griechenland im gestrandet sind. Just an meinem Abreisetag konnte ich am Athener Flughafen die Vorbereitungen für die Ankunft Horst Seehofers bestaunen. (Er war mit seinem französischen Amtskollegen und EU-Kommissar in Ankara und später in Athen um über das Thema Flüchtlinge zu sprechen.)
Wirtschaftlich geht es in Griechenland nur mühsam voran und es ist traurig mit anzusehen, dass man sich dabei auch selber im Wege steht. Dazu später noch etwas mehr. Zunächst möchte ich auf einen aktuellen Aspekt eingehen: Klimaschutz und Energiepolitik.
Man sieht erfreulicherweise immer mehr Windräder auf den Hügeln entlang der Küste. Die Busse in Athen fahren im Innenstadtbereich seit Jahren hauptsächlich elektrisch mit Oberleitungen. Doch sind es vor allem Busse, Flüge und Schiffe die den Verkehr im Landesinneren bestimmen. Ohne Auto hat man eigentlich keine Chance von A nach B zu kommen. Selbst in Athen, dessen Metro zu den olympischen Spielen 2004 deutlich ausgebaut wurde, sind Busse und Metros derart überfüllt, dass man mit Gepäck lieber das Taxi nimmt. Mit dem Taxi ist man ca. 15 Minuten langsamer vom und zum Flughafen, allerdings wenn man nicht selber steuert, definitiv einfacher unterwegs. Und je älter die Menschen, um so eher nehmen sie also das Auto und das Taxi. Mit dem Rad in Athen ist man übrigens schnell – dafür sehr gefährlich. Fußgänger*innen und Radfahrer*innen haben selbst bei grüner Ampel ein gewisses Risiko.
Die Tatsache, dass die Umwelt augenscheinlich vielen Griechen egal zu sein scheint (wilder Müll, sehr viel Plastik und Verpackungen, viele alte Verkehrsmittel) ist leider fast verständlich. In Griechenland ist die Existenzangst sehr verbreitet und sowohl Alters- als auch Gesundheitssystem am Boden.
Wen juckt da die Emission des Autos?
Dies ist an dieser Stelle kein Vorwurf! Denn genau das ist die Herausforderung die eine gemeinsame europäische Politik lösen kann und muss. Wie überall kostet eine bessere Klima- und Umweltpolitik Geld. Geld dass vor allem untere Schichten nicht haben. Daher war es ausgesprochen schade auch in 2019 zu erleben, wie nicht alle Griechen sich an eigene Gesetze halten. So startete der Taxifahrer zum Flughafen sein Taxometer erst später und steckte sich 20 Euro schwarz in die Tasche. Statt also 38 Euro Festpreis zu versteuern waren es 18 Euro. Bei derzeit 24% Mehrwertsteuer sind dass mal eben 4,80 Euro weniger für den Staat.
Kamen 2018 insgesamt 18,75 Millionen Passagiere in Athen an, sind es von Januar bis September 2019 bereits 19,97 Millionen. Davon nehmen nicht wenige das Taxi. Eine Statistik wie die Passagiere von/zum Flughafen kommen fand ich nicht. Es ist allerdings wohl nachvollziehbar, dass von einer beträchtlichen Summe ausgegangen werden kann.
Auch in der Gastronomie erlebte ich weiter vereinzelt, dass nur ein Teil der Speisen und Getränke auf der Rechnung stand. Man erhält zur Bestellung immer direkt eine Quittung. Auf der späteren Rechnung werden diese dann nicht alle aufgelistet. Diese Belege werden storniert und das Geld wandert schwarz in die Kassen. Der Steuerprüfung mangelt es an Kontrolleur*innen – auch weil man auf Druck der europäischen Politik viele Beamte zwangsweise entlassen oder frühverrenten musste. Viele haben seit Jahren keinen Euro ihrer Pension erhalten.
Kürzlich ging ein Fall durch die Medien der ein Restaurant auf Mykonos 836,20 Euro für Calamari, Salat und Bier wollte – von zwei Gästen. Die Rechnung sorgte für Empörung – und war dazu bereits storniert.
Diesen Griechen möchte ich sagen: Schimpft über Berlin und Brüssel, solange ihr euer Land selber betrügt, wird es nicht besser werden! Ihr betrügt eure eigenen Landsleute. Ich hoffe für die ehrlichen Griechen dass es bald bessere Zeiten gibt.
Grundsätzlich steht mir dieser Fingerzeig auf Griechenland nicht zu. Wir haben mit unserer Politik in Deutschland wahrlich eigene Baustellen genug. Es geht allerdings im mehr. Unter anderem ist der europäische Steuerzahler Gläubiger. Und auch wenn die Kredite nicht die Lösung sind und zu Spannungen und vielen bösen Worten geführt haben, so haben sie Griechenland und die europäischen Staaten vor Schlimmerem bewahrt. Doch die Zahl der Arbeitslosen und der Selbstmorde muss sich doch wieder verringern. Auch die große Zahl junger Menschen ohne Job.
Mein Herz hängt an diesem Land und seiner Bevölkerung. Ich schreibe diese Eindrücke daher mit Wut und Trauer. Nicht als Deutscher, sondern als Europäer der diese Wut und Trauer bei seinen Freunden in Griechenland seit Jahren erlebt.
Ach ja: natürlich komme ich wieder und engagiere mich weiter wo und wie ich kann. Gemeinsam und auf Augenhöhe.
Οι καρδιές μου χτύπησαν για την Europa. Οι καρδιές μου χτύπησαν για την Ελλάδα!
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