Niemand polarisiert derzeit in Deutschland so sehr wie Thilo Sarazzin. Das Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank hat durch die jüngste Veröffentlichung seines Buches Deutschland schafft sich ab eine landesweite Diskussion ausgelöst. Ganz losgelöst von den eigentlichen Thesen die er aufstellt, stellen sich die Politiker parteiübergreifend ein Armutszeugnis aus.

Schwere Geschütze

Kaum waren die ersten Thesen in den Medien und das Buch veröffentlich, hagelte es massive Kritik an Sarazzin. Allerdings hatte so gut wie keiner seiner/dieser Kritiker das Buch überhaupt gelesen. Empörung und Unverständnis teile ich in gewissen Teilen aber was dort vom Stapel gelassen wurde, war gleich das schwerste Geschütz, was die Kritiker aufbringen konnten. Unter anderem die Forderung nach der Entlassung Sarazzins.

Und das ist in meinen Augen der unfassbare Hammer! Unabhängig ihrer Parteizugehörigkeit drängt(e) man auf die Entlassung von Thilo Sarazzin aus dem Vorstand der Deutschen Bundesbank. Aber haben wir nicht eine Meinungsfreiheit in Deutschland? Hat Sarazzin das Buch nicht als Privatperson geschrieben? Darf man jemanden der das “heiße Eisen” anpackt den Job nehmen? Für mich wäre die Absetzung durch den Bundespräsidenten Wulff verfassungswidrig.

Tabuthema

Ein weiterer Punkt in dieser Diskussion ist die Diskussion als solche. Für mich persönlich spricht Sarazzin ein in Deutschland ganz wichtiges Thema an. Ich teile nicht alle seine Thesen aber mit der Migrationsunwilligkeit und Abschottung insbesondere der Türken finde ich mich schon in zwei Punkten zu fast 100% wieder. Trotz vieler ausländischer Freunde und Geschäftsbeziehungen erlebe ich dies genauso.  Dazu ein Forenbeitrag von mir zu diesem Thema:

Dazu möchte ich, da es ja hier im in Deutschland lebende Ausländer geht, ein selbst erlebtes Beispiel nennen: Mein Vater arbeitet für die Stadt Aachen als sogenannter Kommunalbeamter. Klingt besser als es ist Durch seine Fachspezifikation ist er bei den sozialen Leistungen eingesetzt (Arbeitslosengeld I & II, früher auch Sozialhilfe genannt). Eines schönen Tages, ich wartete vor seinem Büro, kam eine komplette türkische Familie anspaziert (Vater, Mutter, 3 Kinder, Oma & Opa). Keiner sprach Deutsch und man wollte Sozialhilfe beantragen. Den Antrag haben die auf einem Notizzettel (8,7 cm x 8,7 cm) abgegeben! Damit konnte mein Dad natürlich nichts anfangen und hat ihnen die richtigen Anträge ausgehändigt nebst einer Erklärung bzw. Ausfüllhilfe auf türkisch.

Keiner aus der Familie sprach Deutsch, daher war es auch als die ein par Tage später mit dem richtigen Antrag kamen, noch fehlerhaft aber mit Händen und Füßen konnte schließlich geholfen werden.

Die Familie ist bis heute in Aachen und vor ein par Wochen kamen auch die Kids aufs “Amt” um soziale Leistungen zu beantragen. Es ist deswegen interessant, und in meinen Augen ärgerlich, dass die Eltern nachwievor kein Deutsch sprechen. Die sind mittlerweile über 10 Jahre hier und können sich nicht verständigen. Ich meine, man will (und braucht) Leistungen vom Staat, der Gesellschaft, aber dazu die Sprache zu lernen um sich im Alltag, im Job, im Geschäft, bei den Behörden und auch den Vermietern zurechtzufinden, dass wollen sie nicht.

Ich habe es mehrfach so erlebt. Auch, dass Putzfrauen aus der Türkei trotz mehrjähriger Tätigkeit am selben Arbeitsplatz, nichts der Sprache gelernt haben.

Zum Glück habe ich genauso viele Beispiele erlebt, wie Leute sich hier eingelebt haben. Sie sprechen sehr gut Deutsch und verstehen vor allem sehr viel Deutsch. Ihre Kinder sind hier zur Schule gegangen und haben sich dort, beispielsweise auf einem Gymnasium, gegen deutsche Kinder behaupten müssen! Ist ja auch nicht gerade einfach. Aber sie haben es geschafft. Mit einem habe ich in den nächsten Tagen einen Geschäftstermin. Der Kerl hat hier an der RWTH studiert und ist ein sehr erfolgreicher Ingenieur. Man hört seinen türkischen Dialekt aber man hört auch das Öcher Platt.

Das Thema Ausländerpolitik gehört diskutiert aber sachlich und nicht verallgemeinernd. Daher finde ich es sehr schade, traurig, beschämend und tragisch, dass wir in Deutschland, dem Land der freien Meinungsäußerung auch nach über 60 Jahren nicht in der Lage sind, dieses Thema korrekt und ruhig zu diskutieren. Es ist nachwievor ein Tabuthema.

Übrigens leicht zu belegen: Sagt ein Deutscher zu mir “Du Arschloch” und ich setze mich zu wehr, ist das eine “normale” Auseinandersetzung, die selbst bei Handgreiflichkeiten mit der Einstellung des Verfahrens endet. Passiert selbiges mit einem Ausländer ist man erstmal ein Rassist und gar Nazi. Wir haben in Deutschland das massive Problem, bei Kritik an Ausländern oder Ausländerpolitik direkt in die rechte Ecke gestellt zu werden.

Der schwarze Eisverkäufer

Dazu eine kleine Erinnerung aus meiner Kindheit: Es gab vor einigen Jahren einen Ausverkäufer des Laurensberger Konditors und Bäckers Peterson. Der Verkäufer war ein Schwarzer und hat vor dem Uniklinikum an einem kleinen Wagen das Eis verkauft. Er hatte drei tolle Markenzeichen: Sein immer nettes und breites Lächeln, seine Freundlichkeit und die immer adrett sitzende rote Fliege. Leider kann ich mich nicht mehr an seinen Namen erinnern aber daran, dass er abgeschoben werden sollte. In seinem Heimatland (ich glaube es war der Kongo) hätte ihm die politische Verfolgung durch die amtierende Regierung gedroht. Viele Öcher haben sich damals für in eingesetzt, in der Zeitung gab es viele große Artikel. Ich weiß nicht mehr, ob er letztlich abgeschoben wurde aber diese Beispiel zeigt doch klar eines: Auch Ausländer sind uns nicht egal!

So, und jetzt seit Ihr dran, Kommentare bitte! 😉


3 Kommentare

klenkes · 3. September 2010 um 09:54

Ich sehe das genauso wie du. Das Problem ist aber das sich TS in einigen Punkten sehr vergaloppiert hat und so genügend Munition geschaffen hat für seine “Gegner” das der Kern seiner Aussage nicht mehr wahrgenommen wird.

Das man ihn in Umfragen zustimmt, genau in diesem Punkt, spricht für sich. Davor verschließen unsere Politiker natürlich gerne die Augen.

Frank · 3. September 2010 um 10:50

Heisses Eisen das Du da anpackst. Aber nur deswegen, weil es durch die Medien in eine einzige Richtung geschoben wird.
Grundsätzlich hat TS in einigen Punkten wirklich Recht und ich weiss bei meinem Wohnort Aretzstraße wovon ich spreche…
Und die Politik hat mal wieder nichts besseres zu tun, als eine unbequeme Meinung von Oben herab zu untersagen. Merkt denn kein sog. Volksvertreter mehr, was ich dem Volk los ist und wie sich das Ganze so langsam zu einer explosiven Mischung entwickelt??

Alexander Mehrtens · 3. September 2010 um 11:13

Zweifelsohne lässt sich auch für Politiker, deren Handeln an ihren Zielen orientiert ist, ein karrierebezogenes Politikerbild erklären: Die Überzeugung, selbst die richtigen Entscheidungen zu treffen, führt zu einem Streben nach Macht und Einfluss.

Grundsätzliche Annahme ist dabei, dass sich Politiker als rationale Nutzenmaximierer verhalten. Dies bedeutet im Wesentlichen, dass Politiker eine starke Wiederwahlorientierung haben und deswegen eine Politik betreiben, die bei den nächsten Wahlen zu einer Stimmenmaximierung führt.

Also hat sich Deutschland schon längst ‘abgeschaft ‘

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